Am 6. Juni 2023 trat die EU-Entgelttransparenzrichtlinie in Kraft. Bis zum 7. Juni 2026 müssen alle Mitgliedstaaten – also auch Deutschland – die Vorgaben in nationales Recht übertragen. Was das für Unternehmen konkret bedeutet, erfährst du hier.
Warum die Richtlinie kommt: Der Gender-Pay-Gap bleibt ein Problem
Trotz gesetzlicher Regelungen verdienen Frauen in Deutschland immer noch weniger als Männer – selbst bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.
- Unbereinigter Gender-Pay-Gap: 12,4 %
- Bereinigter Gender-Pay-Gap: 5,5 %
Der unbereinigte Wert vergleicht alle Bruttostundenlöhne – unabhängig von Branche, Position oder Qualifikation. Der bereinigte Wert zieht diese Faktoren ab und zeigt damit die Lohnlücke bei vergleichbaren Voraussetzungen.
So sieht die aktuelle Rechtslage in Deutschland aus
Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) von 2017 regelt bereits einige Punkte:
1. Auskunftsanspruch (ab 200 Mitarbeitenden)
Beschäftigte können das sogenannte Vergleichsentgelt von Kolleg*innen in vergleichbaren Positionen erfragen – anonymisiert und statistisch berechnet aus einer Gruppe von mindestens sechs Personen.
2. Berichtspflicht (ab 500 Mitarbeitenden)
Große Unternehmen müssen regelmäßig einen Bericht zur Entgeltgleichheit erstellen.
Doch die Umsetzung in der Praxis ist bislang schwach: Laut einer Evaluierung des Familienministeriums haben weniger als ein Drittel der Unternehmen ihre Entgeltstrukturen tatsächlich geprüft.
Was sich mit der EU-Richtlinie ändern wird
Die neue Richtlinie geht deutlich weiter – in Sachen Transparenz, Dokumentation und Sanktionen.
1. Mehr Transparenz schon im Bewerbungsprozess
- Das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne muss vorab mitgeteilt werden – z. B. in der Stellenausschreibung.
- Bewerbende dürfen nicht mehr nach ihrem bisherigen Gehalt gefragt werden.
- Berufsbezeichnungen sollen geschlechtsneutral formuliert sein.
2. Erweiterter Auskunftsanspruch für Mitarbeitende
- Der Anspruch gilt künftig branchenübergreifend für alle Betriebe – nicht erst ab 200 Mitarbeitenden.
- Die Auskunft muss spätestens zwei Monate nach Antrag erfolgen.
- Beschäftigte haben Anspruch auf Informationen zu Entgeltkriterien, Gehaltsentwicklung und zugrunde liegenden Kriterien – transparent und geschlechtsneutral.
3. Pflicht zur Gehaltsüberprüfung ab 100 Mitarbeitenden
Unternehmen müssen künftig regelmäßig berichten, wie groß der Gender-Pay-Gap im Unternehmen ist – inklusive variabler Gehaltsbestandteile. Die Berichtspflicht gestaffelt nach Unternehmensgröße:
Unternehmensgröße | Berichtspflicht ab | Intervall |
---|---|---|
100–149 Mitarbeitende | Juni 2031 | alle 3 Jahre |
150–249 Mitarbeitende | Juni 2027 | alle 3 Jahre |
ab 250 Mitarbeitende | Juni 2027 | jährlich |
4. Pflicht zur Korrektur bei Ungleichheit
Liegt der Gehaltsunterschied in einer Vergleichsgruppe bei mehr als 5 %, muss der Arbeitgeber die Gehaltsstruktur prüfen und gegebenenfalls innerhalb von 6 Monaten anpassen – es sei denn, er kann die Differenz mit objektiven, geschlechtsneutralen Gründen erklären.
Das bedeutet die Richtlinie fürs Recruiting
Für die Bewerbungsphase gelten künftig klare Regeln:
- Gehaltstransparenz von Anfang an schafft Fairness und verbessert das Arbeitgeberimage.
- Keine Gehaltsfragen mehr: Informationen zum bisherigen Verdienst dürfen nicht abgefragt werden.
- Unternehmen müssen Bewerber*innen Tarifverträge auf Anfrage bereitstellen.
Diese Maßnahmen sollen verhindern, dass Frauen schlechter in Gehaltsverhandlungen starten – ein häufiger Grund für langfristige Lohnunterschiede.
Handlungsempfehlung: Was Unternehmen jetzt tun sollten
Auch wenn die Richtlinie noch nicht in deutsches Recht umgesetzt ist: Unternehmen sollten sich frühzeitig vorbereiten – denn Sanktionen sind ab 2026 möglich.
1. Entgeltstrukturen analysieren
Überprüfe, ob Mitarbeitende mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit auch vergleichbar bezahlt werden – und dokumentiere die Kriterien dafür.
2. Prozesse für Auskunftsansprüche aufsetzen
Definiere klare Zuständigkeiten und standardisierte Abläufe für Gehaltsanfragen – inklusive Fristen und Datenschutzvorgaben.
3. Gehaltstransparenz im Recruiting etablieren
Überlege, wie du Gehaltsspannen künftig kommunizierst – z. B. in Stellenanzeigen oder im ersten Bewerbungsgespräch.
4. Berichtspflichten planen
Falls dein Unternehmen 100+ Mitarbeitende hat, bereite dich auf die Einführung regelmäßiger Reports vor – inklusive Vergleichskennzahlen und geschlechtsspezifischer Auswertung.
Fazit
Die neue Entgelttransparenzrichtlinie bringt viele Änderungen – aber auch Chancen: Unternehmen, die jetzt aktiv werden, sichern sich nicht nur rechtlich ab, sondern positionieren sich als faire, moderne Arbeitgeber.
Der Weg zu echter Entgeltgleichheit ist noch lang – aber mit mehr Transparenz beginnt er schon heute.
FAQ zur EU-Entgelttransparenzrichtlinie
Wann tritt die Richtlinie in Kraft?
Die EU-Richtlinie gilt seit dem 6. Juni 2023. Die Umsetzung in deutsches Recht muss bis spätestens 7. Juni 2026 erfolgen.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Grundsätzlich alle, vor allem aber Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden, für die Berichtspflichten gelten. Der Auskunftsanspruch gilt künftig unabhängig von der Unternehmensgröße.
Was passiert bei Verstößen?
Die Sanktionen werden vom deutschen Gesetzgeber noch definiert. Klar ist: Wer die Anforderungen nicht erfüllt, riskiert Bußgelder und Imageschäden.
Was ist der Unterschied zwischen „gleicher“ und „gleichwertiger“ Arbeit?
Gleiche Arbeit umfasst identische Tätigkeiten (z. B. zwei Kfz-Mechaniker*innen), gleichwertige Arbeit bezieht sich auf Tätigkeiten mit ähnlichen Anforderungen, auch wenn sie unterschiedlich aussehen.
Müssen wir Gehälter offenlegen?
Nicht individuell – aber vergleichbare Entgelte in statistischer Form, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, müssen auf Anfrage offengelegt werden. Zudem wird es eine Pflicht zur Veröffentlichung von Gehaltslücken geben – je nach Unternehmensgröße.